
Zuerst ein «Lach einmal», dann der Stich in den Oberkörper
Maximilian Karl Fankhauser
Ein Dezemberabend in der Steinenvorstadt endete blutig. Nun steht der Beschuldigte am Montag wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, rechtswidriger Einreise und rechtswidrigen Aufenthalts vor dem Basler Strafgericht.
Die Bars in der Steinenvorstadt sind vor allem im Winter ein allseits beliebtes Ausgangsziel. Während die Temperaturen draussen an den Minusgraden kratzen, können die Menschen drinnen gemütlich ihr Bier trinken und den Abend an der Wärme geniessen. So sollte ursprünglich wohl auch besagter Dezemberabend im vergangenen Jahr in der Soho-Bar ablaufen.
Doch dieser Abend endete mit einer Schlägerei, Messerstichen und einem Geschädigten, der in akuter Lebensgefahr schwebte und im Spital notoperiert werden musste. Aber der Reihe nach:
Der Beschuldigte, ein damals 23-jähriger türkischer Staatsbürger, der sich zum Tatzeitpunkt seit rund zehn Monaten illegal bei einer Freundin aufhält, verbringt mit ihr und drei ihrer Familienangehörigen den Abend im Obergeschoss der Soho-Bar. Um etwa 22:30 Uhr begibt sich die Gruppe dann ein erstes Mal auf die Tanzfläche im Untergeschoss des Gebäudes. Dort trifft der mutmassliche Täter auf das spätere Opfer und seine beiden Freunde.
Angespannte Stimmung
Laut der Anklageschrift herrscht zu diesem Zeitpunkt bei der Gruppe des Beschuldigten eine von aussen wahrnehmbar ernste Stimmung. Diese Stimmung habe die Gruppe des mutmasslichen Opfers aufzulockern versucht. Ein Kollege des Geschädigten stösst mit der Kollegin des Beschuldigten an. Mit einer Geste deutet er der Freundin des Geschädigten zudem an, sie solle doch einmal lächeln.
Der Kollege nähert sich der Gruppe ein weiteres Mal. Er spricht den mutmasslichen Täter direkt an und sagt ihm, dass er «ruhig bleiben» solle, sie wollten «keinen Stress». Der Beschuldigte scheint offensichtlich aufbrausend zu reagieren. Er soll doch einmal lächeln, sagt ihm der Kollege des Geschädigten. Unklar ist, ob er ihn in diesem Moment noch fragt, ob ihm seine Freundin nicht ausreichen würde, um «Spass zu haben».
Alsbald sich der Kollege entfernt und wieder zu seiner Gruppe stösst, hat der Beschuldigte das Gefühl, sie würden lachen und immer wieder in seine Richtung schauen.
Unbemerkte Stiche
Wenig später kehrt der Geschädigte alleine auf die Tanzfläche zurück und tanzt mit der einen Kollegin des Beschuldigten. Dasselbe versucht er auch mit der Freundin, woraufhin der Beschuldigte eifersüchtig reagiert und ihn zur Rede stellt. Eine daraus entstandene Rangelei später werden die beiden Streithähne aus dem Club verwiesen. Dort hat der Geschädigte die Intention, das Kriegsbeil zu begraben. Der Beschuldigte aber antwortet auf die Frage, weshalb er Stress machen wolle, nur mit einem «das wirst du dann schon sehen». Die Rangelei ist dann wieder voll im Gange und lässt sich auch von herbeigeeilten Sicherheitsleuten und Kollegen nicht auflösen.
Schläge auf den Hinterkopf und der Hals im Würgegriff – plötzlich zückt der Beschuldigte laut Anklageschrift unbemerkt ein Victorinox-Messer und hält es in der hohlen Faust. Dies auch aus der körperlichen Unterlegenheit heraus. Das Problem: Für die umstehenden Personen sieht es nach Faustschlägen aus. So soll er dem Geschädigten vier Mal in den Brustkorb gestochen und sich, zuerst gemächlich, vom Tatort entfernt haben. Das blutverschmierte Messer entsorgt er unauffällig hinter einem Pflanzentopf.
Zuerst steht er noch neben seiner Freundin vor dem Club. Als er bemerkt, dass sich um den zusammenbrechenden und sichtbar stark blutenden Geschädigten eine Menschentraube bildet, flüchtet der Beschuldigte in Richtung Barfüsserplatz. Dort wird er von den Sicherheitsleuten und dem Kollegen an- und bis zu seiner Inhaftierung festgehalten.
Akute Lebensgefahr
Der Geschädigte schwebt indes in Lebensgefahr, hat eine 8,45 Zentimeter tiefe Einstichwunde (bei einer Klinge, die notabene nur 5,5 Zentimeter lang ist). Er weist eine Blutansammlung zwischen Lunge und Brustwand (Hämatothorax) und einen Pneumothorax (Luftansammlung zwischen Lunge und Brustwand) auf, wobei es zu einer Verschiebung des Herzens kommt. Im Rahmen der Notoperation wird ihm der beschädigte Teil seiner Lunge entfernt. Für ihn bedeutet das eine unabsehbare funktionelle und mit dem deformierten Brustkorb auch eine bleibende optische Beeinträchtigung.
Am Montag wird nun über die Anklagepunkte der versuchten vorsätzlichen Tötung, der rechtswidrigen Einreise und des rechtswidrigen Aufenthalts verhandelt. Für den Angeklagten gilt die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft wird ihre Strafanträge im Rahmen der Hauptverhandlung stellen. Das Urteil wird am Donnerstag erwartet. Baseljetzt wird über die Verhandlung berichten.
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